Genossenschafts-Idee ist Kulturerbe

Prinzip der Menschlichkeit

Die Bräuche zur Verehrung der Gottheit Mazu, die Akupunktur der Traditionellen chinesischen Medizin und das Zhusuan, das Wissen der mathematischen Kalkulation mit dem Abakus gehören dazu: Die Repräsentative Liste der UNESCO umfasst kulturelle Ausdrucksformen wie etwa Tanz, Theater, Musik und mündliche Überlieferungen sowie Bräuche, Feste und Handwerkskünste. Sie wurde 2008 mit dem Ziel eingeführt, das Immaterielle Kulturerbe weltweit sichtbar zu machen und das Bewusstsein um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu stärken.

Acht Jahre hat es gedauert, 2016 war es dann soweit: Deutschland erreicht seine ersten 1,06 Einträge: Einen mit 17 anderen Ländern zu teilenden (Falknerei) und einen alleinigen: die Würdigung der Genossenschaft, verkündet am 30. November 2016 in Addis Abeba.

Die Kulturform der Genossenschaften ist zwar keine ausschließlich in Deutschland entstandene Praxis. Vorläufer gab es unter anderem in Großbritannien, Frankreich und im Osten Europas. Doch hatten die beiden Sozialreformer Hermann Schulze-Delitzsch (1808 - 1883) und Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818 - 1888) Mitte des 19. Jahrhunderts die entscheidenden Grundlagen der Genossenschaftsidee gelegt, die heute auf weltweit rund 800 Millionen genossenschaftlich organisierte Menschen wirken.

Zwar haben Genossenschaften auch wirtschaftliche Ziele, doch ist diese spezielle Organisationsform, Menschen mit gemeinsamen Interessen ohne Gewinnerzielungsabsicht zur Erreichung gemeinsamer Ziele zusammenzubringen, von weitreichender kultureller Bedeutung. Dies wurde in der Begründung des unabhängigen Expertenkomitees "Immaterielles Kulturerbe der Menschheit" hervorgehoben: Genossenschaften orientieren sich an sozialen Werten und bauen auf ideellen Grundsätzen wie Solidarität, Ehrlichkeit, Verantwortung und Demokratie auf - will heißen: auf Prinzipien des kulturellen Selbstverständnisses menschlicher Gemeinschaften. Dieser Aspekt sowie das durch diese Kulturform zum Ausdruck kommende bürgerschaftliche Engagement im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen sprechen, der Begründung zufolge, für die Genossenschaftsidee als Eintrag in die UNESCO-Liste.