Bauen ist Politik

Wenn einem Recht die Berechtigung schwindet

Bauen ist Veränderung des Lebensraumes ...
... Veränderung des Lebensraumes ist soziale Interaktion (mit ökologischen, ökonomischen und gesellschaftsstrukturellen Folgen) ...
... und soziale Interaktion ist stets Politik (in der Dynamik der verschiedensten Interessen).

Kurz: Kein Stein liegt auf dem anderen ohne Politik. Umgekehrt mag das Bauen nicht immer Politik gestalten, aber die Politik gestaltet immer das Bauen. Zum Beispiel, ganz pragmatisch, die Baunutzungsverordnung. Ein umfassendes Regelwerk aus dem Jahre 1962, aus einer Zeit, in der das Bauen gegenüber heute (die zum Teil absurden Details der BauNVO wollen wir hier unter Verzicht auf ihren schildbürgerhaften Unterhaltungswert nicht weiter ausführen) wohlverständlich komplett anders motiviert, substanziiert und strukturiert war. Ohne dies im Einzelnen zu begründen: Die Voraussetzungen waren schlicht gänzlich andere als heute. Heute sind Städte mit völlig neuen Situationen konfrontiert - regeln diese jedoch mit einer an inaktuellen (gleichbedeutend mit irrealen) Situationen orientierten Baupolitik: immer noch den Geist der Charta von Athen atmend, mit den Idealen der Funktionstrennung und der durchgrünten, eher locker bebauten Stadt.

Wohnen 1962: Leben in anderen Zeiten

Damit hat heute die BauNVO den Kontakt zur unserer modernen Realität verloren mitsamt ihrer Anwendungseignung: Viele Städte lassen trotz vorhandener Flächen Innenbebauungen nicht oder nur mit juristisch komplizierten, zeit- und arbeitsaufwendigen und Bürgern kaum noch vermittelbaren Ausnahmeregelungen zu. Effekt: Von den Leitwerten der Nachhaltigkeit umzingelte Stadtflächen komprimieren immer mehr Menschen auf dichtem Raum, erzeugen einerseits Lebendigkeit, Dichte und Mischung, andererseits Wohnungsnot und eskalierende Mietpreise. So schafft ein Problem zwei nächste: die Installation der Mietpreisbremse und die Effekte aus deren Unwirksamkeit.

Der Zweck der 1962 gesellschaftlich gewünschten und von den Städten demokratisch beschlossenen Ziele mitsamt ihrem eigens dafür konstruierten Instrument, der BauNVO, ist in vielen Teilen obsolet: Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert danach, wirkt sie nicht für, sondern gegen die Gesellschaft.

Home office 0.0

Übrigens nicht nur sie: Auch das eng mit dem Bauplanungsrecht verknüpfte Immissionsschutzrecht muss an die heutigen technischen Möglichkeiten und städtebaulichen Ziele angepasst werden. Nach ihm darf z. B. in vielen Fällen nicht dort gewohnt werden, wo man arbeitet. Update abgelehnt: Home office Null Punkt Null.